Blindfisch/Kafka

"Mario, ich komme!"
Schade, dass ich vergessen habe, dass ich auf ner Fensterbrüstung im 70. Stock stand, Mario unten stand, Mario unten ist. Ich noch nicht!

1, 2, 3
Platsch, plumps! Ins Wasser gefallen...

Aber nicht nur im Wasser gefall ich mir
Auch im Spiegel! Und in der Apotheke und und und...

Das Werfen
Die Wurfpfeile sind scharf, die auch, Rasierklingen ebenso, schärfer noch als mein Augenlicht... Es war!

Überhaupt total egal
"Heute sprach ich beim Frühstück mit der Mutter zufällig über Kinder und Heiraten, nur ein paar Worte, aber ich bemerkte dabei zum ersten Mal deutlich, wie unwahr und kindlich die Vorstellung ist, die sich meine Mutter von mir macht. Sie hält mich für einen gesunden jungen Mann, der ein wenig an der Einbildung leidet, krank zu sein. Diese Einbildung wird mit der Zeit von selbst schwinden, eine Heirat allerdings und Kinderzeugung würden sie am gründlichsten beseitigen. Dann würde auch das Interesse an der Literatur auf jenes Maß zurück gehn, das vielleicht den Gebildeten nötig ist. Das Interesse an meinem Beruf oder an der Fabrik oder an dem, was mir gerade in die Hände kommt, wird in selbstverständlicher ungestörter Größe einsetzen. Zu dauernder Verzweiflung an meiner Zukunft ist daher nicht der geringste, mit keiner Ahnung zu berührende Grund; zu zeitweiliger Verzweiflung, die aber auch nicht tief geht, ist dann Veranlassung, wenn ich wieder einmal den Magen verdorben zu haben glaube oder wenn ich, weil ich zu viel schreibe, nicht schlafen kann. Lösungsmöglichkeiten gibt es tausende. Die wahrscheinlichste ist, dass ich mich plötzlich in ein Mädchen verliebe und von ihm nicht mehr werde ablassen wollen. Dann werde ich sehn, wie gut man es mit mir meint und wie man mich nicht hindern wird. Wenn ich aber Junggeselle werde wie der Onkel in Madrid, wird es auch kein Unglück sein, weil ich in meiner Gescheitheit mich schon einzurichten wissen werde... Eine Stunde dann auf dem Kanapee über Aus-dem-Fenster-Springen nachgedacht...: Gegen das Fenster laufen und durch die zersplitterten Hölzer und Scheiben, schwach nach Anwendung aller Kraft, die Fensterbrüstung überschreiten." Franz Kafka: "Tagebücher 1910 - 1923", herausgegeben von Max Brod, Frankfurt am Main 1973, Seiten 125, 166 und 134 (19. Dezember 1911; 8. März 1912; 25. Dezember 1911). Aber friedfertig.

Wie im Märchen
Eines schönen Morgens, so gegen 11 Uhr 25, stand ich am Fenster meiner Wohnung und schaute in Nachbars Garten: Dort bewegten sich vier nette Gestalten umher, sahen aus wie Landvermesser, jedenfalls hatten sie Messlatten und ähnliches Zeugs bei sich; nun ist der Garten so groß nicht, das fand ich also etwas verwunderlich, da mir auch einer der Arbeiter bekannt vor kam, ein nicht sehr Vertrauen erweckender Mensch. Nachdem das Ausmessen fast beendet schien, ich wartete bis mein Kaffee, den ich mir zum Frühstück braute, durch die Kaffeemaschine durchlief, sah ich wie einer der Arbeiter, ein junger Mann, vielleicht 23, vermutlich eine Hilfskraft (oder doch ein Schauspieler, Model?), über den Zaun von Nachbars Garten klettern wollte, sich etwas zu ungeschickt anstellte, auf den Rat eines Mitarbeiters hin beim Nachbarn schellte, dass die Tochter aufmachte, die schöne, schlanke Beine hat, und nur ein Höschen an, ganz eng, und ein weit ausgeschnittenes Body-Shirt, und vielleicht zehn bis 11 Jahre alt ist, da erinnerte ich mich an Christina Platen in "Mord im Spiel", im Krimi mit Gerd Baltus; Gerd war gut, der Krimi nicht, Christina sah schön aus, spielte die Tochter einer bekannten Schauspielerin, die im Verdacht stand, ihren Ehemann erschossen zu haben, dabei war es der Regisseur, ein verdächtiger "Milan", womöglich ein Ausländer (heißen Tschechier nicht so?), jedenfalls fuhr ich auf Christina doch ab, verstand auf einmal auch, warum sie so einen Erfolg als Assistentin in der "Praxis Bülowbogen" mit Günther Pfitzmann hatte; echt, schon vor Jahren sah die Platen gut aus, besser noch als heutzutage, und schön plastic, keep cool, Man! Jedenfalls schaute ich aus dem Fenster und die Arbeiter waren nicht mehr da; die werden die Kurze doch nicht etwa gefesselt haben (meine Nachbarn scheinen reich zu sein)? Niemand zu sehen, keine Bewegung und kein Licht, soll ich mal an schellen, vielleicht kassiere ich ja ne Belohnung für die Hilfe bei der Aufklärung der Entführung, der holländische Millionär Hain Kirr wurde ja auch entführt und um sein Leben gebracht, die Nachbarstochter könnte man wenigstens noch zigmal Not züchtigen, bevor man sie umlegt... Also schellte ich bei ihnen an, um abzuchecken, ob die Sache mit den Messlatten ein Trick der Entführer war, um die Tochter und die etwaig zuschauenden Nachbarn abzulenken, von ihrem Aussehen, dem Gehabe, halt von ihrer Spur; keine Entführung, die Tochter macht auf! Und immer noch in diesem reizvollen Slip, die langen Beine, die Jugend, ja, noch fast Kindlichkeit, da habe ich sie gefesselt und vom Leben zum Tode befördert, ne Beförderung, und das so kurz vor dem Ende, immerhin, besonders in dem Alter. Allerdings wurd sie keine Chefin.
Ich muss sagen, so viel Fürsorglichkeit hätte ich mir gar nicht zugetraut, und schön wars auch.

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